Jiangsu Lu 15 - Old Qingdao

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Jiangsu Lu 15

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15 Jiangsu Lu / Lutheranische Kirche (基督教堂, Jidu Jiaotang)
Shinan District, Qingdao

Das Grundstück für den Kirchenbau wurde vom Gouvernement in Tsingtau zur Verfügung gestellt. Die Kirche ist im wilhelminischen Stil aus großen Felsquadern der Region errichtet, vereint Formen des Historismus und des Jugendstils. Vom Äußeren vermittelt das Gotteshaus daher eher den Eindruck einer klobigen Festung. Trotzdem erscheint sie dem Betrachter in harmonischen Farben. Das Kirchendach mit roten Ziegeln gedeckt, wird von gelb gestrichenen Wänden getragen, in die roh behauene Felssteine eingelassen sind.

Der Entwurf der Kirche stammt von Curt Rothkegel, der zwischen 1903 und 1929 in China als Architekt tätig war. Während des Baus wurde der Entwurf jedoch abgeändert, insbesondere der ursprünglich nur 27 m hohe Kirchturm wurde auf 39 m erhöht. Das Gouvernement schenkte das Grundstück hierfür.

Den 39 m hohen Glockenturm, dessen Kupferdach grün leuchtet, zieren 3 Uhren, deren mechanisches Uhrwerk der Firma "J. F. Weule" aus Bockenem am Harz bis 1993 in Betrieb war, bevor es durch ein elektrisches ersetzt wurde. Das Glockenwerk besteht aus 3 Glocken einer großen und zwei kleineren, alle noch im Original erhalten.

Das Innere der Kirche ist äußerst schlicht gehalten. Pendelleuchten hängen vom Kuppelgewölbe herab, der Altar und die Säulenkapitäle bestehen aus grauem geschnitztem Marmor, die keramischen Bodenfliesen sind in einem dunklen Rot gehalten. Die zweite Ebene war für das Chorgestühl und die Orgel vorbehalten. Unter der Kirche befinden sich die Heizung sowie zwei Ausgänge in den Hinterhof.

 
 


Nachfolgend zitiere ich aus einer Veröffentlichung von Professor Dr. Wilhelm Matzat, Bonn. Wer mehr lesen möchte, findet den kompletten Text auf seiner Webseite http://www.tsingtau.org


Christuskirche in Tsingtau (Qingdao)
Verfasst von Prof. Dr. Wilhelm Matzat

Die Grundsteinlegung fand am Ostersonntag, dem 19. April 1908, im Rahmen eines Feldgottesdienstes statt.
Die Baukosten (236000 Mark) trug diesmal nicht der Staat, sondern der Deutsche Evangelische Kirchenausschuß in Berlin, der die Gelder durch Spendenaufrufe in ganz Deutschland und China zusammengebracht hatte.

„Die Kirche ist in einfachen modern-romanischen Formen gehalten. Das Gebäude enthält in der Hauptsache ein Schiff von 23,20 m Länge und 13,50 m Breite, an das sich der Altarraum mit einer Tiefe von 5 m anschließt. Das Schiff der Kirche, welches Raum gibt für 420 Sitz- und 100 Stehplätze ist mit einem halbkreisförmigen Tonnengewölbe geschlossen und hat eine lichte Höhe (bis zum Scheitel gemessen) von 11 m. Der Altarraum ist um 3 Stufen gegen das Schiff erhöht. An der westlichen Ecke zwischen Altarraum und Schiff ist die Kanzel erbaut, etwa korrespondierend ist ein Taufstein vorhanden. An der Südseite des Schiffes ist eine Empore angeordnet, auf der die Orgel Aufstellung gefunden hat. Sie dient außerdem als Sängerempore und bietet Platz für 100 Personen."

Aus Deutschland wurden geliefert: die bereits erwähnte und immer noch funktionierende Turmuhr, sowie die noch jetzt jeden Sonntag läutenden 3 Glocken. Für die damalige Zeit waren sie ungewöhnlich, denn sie bestehen nicht aus Bronze sondern aus Gußstahl, hergestellt von der Stahlfirma Bochumer Verein, mit den Tönen e – g – b. Diese Glocken waren schon vorhanden und wurden aus der 1899 gebauten Kapelle übernommen. Die Bodenfliesen in der gesamten Kirche lieferte Villeroy & Boch aus Mettlach. Die Orgel der Firma Gebr. Link aus Giengen a.d. Brenz wurde von Herrn R.Link persönlich, mit der Hilfe von 20 chinesischen Arbeitern, aufgestellt, zwischen dem 21. Juni und 26. August 1910. Er hat anschließend in einer Zeitung einen längeren Reisebericht veröffentlicht. Die Orgel wurde in den 1950er Jahren weggenommen und soll nach Peking in eine Musikhochschule gebracht worden sein. Aus Anlass des 100jährigen Jubiläums der Christuskirche am 23. 10. 2010 wird ihr eine neue Orgel gestiftet, sie stammt von der Firma Jäger und Brommer Orgelbau in Waldkirch.

Die Einweihung der Kirche
Die Einweihung der Kirche am 23. Oktober 1910 wird in der Wochenzeitung Kiautschou-Post (vom 29.10.1910, S.327-28) folgendermaßen beschrieben: „Die Gemeinde und die geladenen Gäste hatten um 10 Uhr vor der Kirche Aufstellung genommen, als die vom Soldatenchor mit Posaunenbegleitung zum Vortrag gebrachte Festkantate: ‘Ich will in das Haus des Herrn gehen’ die Feier einleitete. Dann überreichte der Erbauer der Kirche, Herr Baudirektor Strasser mit einer kurzen Ansprache den Kirchenschlüssel, den S.E. Herr Gouverneur Truppel  als Vertreter der hiesigen Zivil- und Militärgemeinde entgegennahm und an Herrn Oberpfarrer Winter weitergab. Dieser öffnete nunmehr die Hauptpforte und betrat die im herrlichen Schmuck prangende Kirche, gefolgt von den Erschienenen. Die beiden Missionare Superintendent Voskamp und Pfarrer Kunze trugen die Altargeräte. Beim Eintritt in das Gotteshaus spielte die Orgel (Herr Lehrer Reinhard Schuhmann) das Festpräludium von Volckmar. Darauf sang der Gemischte Chor unter Leitung des Oberrichters Dr. Crusen die Motette von Klughardt: ‘Heil dem Haus, das der Herr gebaut.’ An die Liturgie nach der Agende, die mit dem 84. Psalm schloß, erklang ein größeres Präludium; darauf sang die Gemeinde: ‘Lobe den Herrn.’ Vom Altar aus hielt dann Herr Oberpfarrer Winter die Weiherede im Anschluß an das im Namen der Kaiserin gesprochene Votum aus Psalm 150, Vers 1: ‘Lobet den Herrn in seinem Heiligtum; lobet ihn in der Feste seiner Macht.’ (Die Zeitung bringt den vollen Wortlaut der Weiherede.) Hierauf folgten Weihgebet und Glaubensbekenntnis, worauf der Chor unter Orchesterbegleitung den 98. Psalm sang. Die von der Kanzel gehaltene Predigt hatte folgenden Wortlaut (dessen kompletter Text in der Zeitung abgedruckt ist). Nach der Predigt sang der Chor das Halleluja von Händel. Nach dem Schlußgebet und Segen beendigte der Gemeindegesang: ‘Nun danket alle Gott’ die erhebende Feier."


 
 

Die Kirche diente der evangelischen Zivilgemeinde und der deutschen Garnison als Gotteshaus. Bis zum 27.November 1949 fanden hier regelmäßig Gottesdienste statt, bevor für längere Zeit das Gebäude ungenutzt war. Nachdem jedoch seit mehreren Jahren die Religionsausübung unter staatlicher Kontrolle wieder möglich ist, wurde die Kirche restauriert. Heute wird der sonntägliche
Gottesdienst von heute etwa 1200 Gemeindemitgliedern gefeiert, außerdem finden wieder Taufen, Konfirmationen und Trauungen statt. Dazu kommen weitere musikalische Aktivitäten vom Kirchenchor bis hin zum Rap.

Hinweis: Wer nicht die Stufen von der Jiangsu Lu zur Christus-Kirche erklimmen möchte, betritt den Kirchhof durch das Südtor von der Longkou Lu.

Im Turm der Kirche wird ein Gedenkstein und eine Tafel für Carl John Voskamp (18. September 1859- 20. September 1937) ausgestellt. Er war Mitglied der Berliner Missionsgesellschaft.

Auch hier zitiere ich wieder Professor Dr. Wilhelm Matzat.

Voskamp, Dr. theol.h.c. Johannes (1859 – 1937) und Familie, Missionar
Verfasst von Prof. Dr. Wilhelm Matzat

Carl Johannes Voskamp, * Antwerpen 18.9.1859.

Johannes besuchte seit 1872 bis zum Abitur (1878) das Realgymnasium in Duisburg, lebte in einem Internat. 1873 dort konfirmiert. Studierte zunächst 2 Semester Mathematik, trat dann Okt. 1879 in das Berliner Missionshaus ein, Abschlußexamen dort Mai 1884. Aussendung am 14.10.1884 (Bartholomäuskirche) nach Canton. Dort ordiniert am 9.1.1887 durch Superintendent Hubrig.

Missionsstationen: Canton Dez. 1884 bis Dez. 1889. - Dann in Dschu- thong-au (Zhutong’ao) Dez. 1889 bis Mai 1897. Heimaturlaub von Mai 1897 bis Okt. 1898. Am 18.10. 1898 Aussendung nach Tsingtau, wo er am 24.12.1898 eintrifft und ohne irgendeinen Heimaturlaub bis 1926 bleibt. Mit Einführung der Superintendentur-Verfassung in Tsingtauer Bezirk wird Voskamp zum Superintendent am 30.5.1903 ernannt. Allerdings wird im Nov. 1907 die Konferenzverfassung eingeführt, Voskamp behält aber den Titel „Superintendent". Erhält 1924 von der theolog. Fakultät der Univ. Greifswald den Ehrendoktor (Dr. theol. h.c.). Da das Schantung-Missionsfeld der Berliner Missionsgesellschaft am 1.1.1925 in das Eigentum der American Lutheran Mission übergeht, ist Voskamp seit diesem Datum Mitglied der ALM. Im August 1926 beginnt sein Heimaturlaub und er fährt zunächst in die USA, wo er ein ganzes Jahr bleibt. Von dort am 6.9.1927 nach Deutschland. Im Nov. 1928 verläßt er Deutschland und trifft Jan. 1929 wieder in Tsingtau ein. Er wird nun, 70jährig, endgültig pensioniert, geht aber Sept. 1929 an das Lutherische Theologische Seminar in Shekou bei Hankou. Läßt sich jedoch 1930 endgültig in Tsingtau nieder, bis zu seinem Tode dort am 20.9.1937.


Voskamp hat insgesamt 36 Bücher geschrieben, die in 6 Sprachen erschienen sind und in 208 Bibliotheken auf der ganzen Welt stehen. Einige Titel gibt es heute noch als Nachdruck zu kaufen.

Nachfolgend nenne ich einige Bücher und Vorträge:

1898 - Zerstörende und aufbauende Mächte in China
1898 - Unter dem Banner des Drachen und im Zeichen des Kreuzes
1898 - Eine Köhlergeschichte
1899 - Ein Blumenstrauss von Missionsgeschichten
1900 - Konfuzius und das heutige China: Vortrag Tsingtau März 1900
1901 - Aus der verbotenen Stadt
1906 - Gestalten und Gewalten aus dem Reich der Mitte: Vorträge
1914 - Das alte und das neue China
1915 - Aus dem belagerten Tsingtau Tagebuchblätter
1919 - Der chinesische Prediger
1924 - Chinesische Gegensätze

 
 
 
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